Am 12. Juni 2023 enthob der Rat des Obersten Gerichtshofs den Chefankläger Ivan Geschev in Abwesenheit seines Amtes. Das passierte, nachdem das Parlament ein Gesetz geändert hatte, dem zufolge für die Absetzung des Generalstaatsanwaltes nicht mehr 17, sondern 13 Pro-Stimmen im Gremium notwendig sind. 16 Stimmen reichten somit nunmehr für die Absetzung Geschevs. Zu dieser für Bulgarien beispiellosen Entscheidung kam es nach zwei mehrstündigen Sitzungen, Debatten und der Anhörung von Zeug*innen. Der Beschluss des Obersten Gerichtshofs muss noch durch einen Erlass des Staatspräsidenten Rumen Radev (parteilos) bestätigt werden. Eine Frist, innerhalb derer dieser unterzeichnet werden muss, ist jedoch nicht explizit erwähnt. Zwischenzeitlich richtete Geschev zwei Fragen an das Verfassungsgericht, in denen es um die Legitimität der aktuellen Zusammensetzung des Obersten Gerichtsrates geht – die seit neun Monaten abgelaufen ist – sowie um die Zulässigkeit seiner Absetzung mit weniger Stimmen als vor des Gesetzesänderung vorgesehen. Geschev trat sein Amt als bulgarischer Chefankläger Anfang 2020 an. Seine Ernennung löste eine Welle der Unzufriedenheit und Proteste unter Bulgar*innen im In- und Ausland aus, die eine Beendigung des siebenjährigen Mandats forderten. Dem Generalstaatsanwalt werden aus geheimdienstlicher, polizeilicher und rechtlicher Sicht unprofessionelles und gar illegales Handeln vorgeworfen. Ende Mai kündigte Maria Gabriel, die derzeitige stellvertretende Premierministerin und Außenministerin, bei ihrer Vorstellung als Kandidatin für das Amt der Premierministerin mit dem Mandat der ersten politischen Kraft im Parlament an, dass die Absetzung von Ivan Geschev eine der Prioritäten der Koalitionsregierung sein werde.