Teuerungen, Krieg und Explosionen der Energiekosten sind nur einige der Gründe, warum immer mehr Menschen in der Armutsfalle landen. Die Preiserhöhungen bei stagnierendem Einkommen führen dazu, dass die Delogierungsrate steigt. Daher sind auch immer mehr Familien mit Kindern von Wohnungslosigkeit betroffen. Der Winter macht es vielen noch schwerer. In Wien bekommen Menschen ohne Obdach die bestmögliche Unterstützung und Betreuung. Für einen Austausch über die Obdachpolitik in Wien kamen von 22. bis 23. November zwei Berliner Abgeordnete in die Bundeshauptstadt.
Berlin und Wien haben viel gemeinsam. So gibt es auch im Bereich der Obdachlosenpolitik viele gemeinsame Herausforderungen und Probleme und entsprechende Lösungsansätze. Zwei Berliner Abgeordnete kamen daher nach Wien, um sich auch mit Stadtrat Peter Hacker zu dem Thema auszutauschen. Fragen, die für Lars Düsterhöft und Tobias Bauschke bei dem Besuch im Fokus standen, waren: Was macht Wien anders oder besser als Berlin? Was kann sich Berlin von Wien abschauen und wie kann Berlin – in weiterer Folge – die Obdachlosenpolitik fördern?
In Österreich waren laut Statistik Austria zuletzt knapp 20.000 Menschen als obdach- oder wohnungslos registriert. Wien hat Möglichkeiten geschaffen, um diesen Menschen zu helfen und sie in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Am Dienstag, den 22. November, war die zweiköpfige Delegation des Berliner Abgeordnetenhauses auf einen Erfahrungsaustausch beim Fonds Soziales Wien (FSW). Thema dabei war die Strategie der Wiener Wohnungslosenhilfe und ihre Leistungen. Die Berliner Abgeordneten wurden zunächst über die Wohnungslosenhilfe informiert, deren Ziel ein selbstbestimmtes, wenn möglich eigenständiges Wohnen ist. Aktuell arbeitet der FSW an der Strategie 2022, im Zuge derer die Nachtquartiere in Chancenhäuser umgestaltet wurden. In den Obdach Wien Chancenhäusern können sich wohnungslose Erwachsene, Paare, Frauen und Familien in Ruhe auf eine passende Wohnform vorbereiten und neue Perspektiven entwickeln. Sie werden dort von der ersten Minute an betreut und beraten sowie ihre Ansprüche geklärt.
Im Anschluss folgte ein Vortrag zum Winterpaket, das es schon seit 13 Jahren gibt. Die Stadt Wien reagiert auf aktuelle Situationen und schafft zu dem bestehenden Angebot für obdachlose Menschen zusätzliche Möglichkeiten, um ihnen die bestmögliche Hilfe zu bieten. Vor 13 Jahren standen den Wohnungslosen 60 Plätze zur Verfügung, mittlerweile sind es 1.000. Vor Covid-19 beinhaltete das Winterpaket nur einen Schlafplatz für die Nacht. Die Wohnungslosen konnten sich abends dort duschen, Wäsche waschen, etwas essen und übernachten, sie mussten die Quartiere jedoch am Morgen verlassen. Auch waren diese nur von November bis Ende April offen. Aktuell können sich die Wohnungslosen 24 Stunden in den Quartieren aufhalten, die bis Juli in Betrieb sind. Für vulnerable Gruppen (Personen mit psychischen und physischen Einschränkungen) sind diese sogar ganzjährig geöffnet. Das Winterpaket ist ein niederschwelliges Angebot, das nur für Personen gedacht ist, die keine Anspruchsberechtigte anderer Leistungen des FSW sind.
Ein Gespräch mit Sozialarbeiter*innen der Caritas Wien stand am zweiten Tag auf dem Programm.
Viele Menschen wollen helfen, wissen aber nicht, wie sie sich verhalten sollen, wenn sie im Winter das Schlaflager einer obdachlosen Person sehen. Passant*innen können sich an das Kältetelefon der Caritas wenden, welches in ganz Österreich vertreten ist und so Hilfe für diese anfordern. Den Abschluss der Delegation bildete der Besuch des neunerhaus Gesundheitszentrums. Nicht nur Nässe, Kälte und Hunger gehen den Menschen auf der Straße unter die Haut. Obdachlosigkeit kostet Kraft, bedeutet Stress und macht krank. Um diese Menschen in Krankheitssituationen zu unterstützen, bietet das neunerhaus Gesundheitszentrum allgemeinmedizinische, augenärztliche und zahnmedizinische Versorgung an. Die Behandlungen sind für obdachlose, wohnungslose und nichtversicherte Menschen kostenlos.
Nach zwei intensiven Tagen zog Lars Düsterhöft ein Fazit: "Vieles machen Wien und Berlin in der Obdachlosenpolitik gleich. Es kommt mir aber so vor, als ob die Obdachlosenpolitik hier in Wien noch mal strukturierter und differenzierter laufen würde. Dafür gibt es bei uns Angebote, die es in Wien nicht gibt."
Fonds Soziales Wien
Chancenhäuser - Obdach Wien
neunerhaus Gesundheitszentrum
Obdach & Wohnen: Caritas Wien